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und eine Stimme, die nicht besänftigte, nicht tröstete. Sie schrie: „Was willst du? Gib endlich Ruhe!“
Aus dem Brüllen wurde ein schrilles Kreischen.
Ihr Herz schlug so hart, dass sie es bis in ihren Hals spürte. Sie wischte die schweißnassen Hände an ihrem Nachthemd ab. Was sollte sie tun? Unablässig drehte sich die Frage in ihrem Kopf: Was soll ich tun?
Sie wagte kaum zu atmen, aus Angst, ein Geräusch hinter der Wand zu überhören, doch nun war es ruhig. Zu ruhig. Sie verharrte in ihrer Position, mit dem Ohr an der Wand, bis ihr der Rücken weh tat. Da richtete sie sich auf und ließ die Arme sinken. Das Baby schlief wahrscheinlich. Die Stimme hatte bestimmt der vor Übermüdung gereizten Mutter gehört. Einer verzweifelten Mutter, die schon alles ausprobiert hatte, um ihr Kind zu beruhigen. Die einfach nicht mehr wusste, was sie noch alles tun sollte, damit es endlich schlief. Nichts Außergewöhnliches. Jede konnte einmal die Nerven verlieren und ihr Kind anbrüllen.Ihre Augen hatten sich längst an die Dunkelheit in dem Raum gewöhnt. Vor dem Fenster stand das Bettchen, in der Ecke die Wickelkommode und an der linken Mauer der 

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Schrank, auf den fluoreszierende Sternchen geklebt waren. Im Nachthemd stahl sie sich aus der Wohnung. Sie pflegte keinen freundschaftlichen Kontakt zu den Nachbarn, kannte sie kaum. Auch die Neue, die erst vor wenigen Tagen eingezogen war, hatte sie erst einmal gesehen. Neben ihrer Nachbarin kam sie sich alt vor. Verbraucht.Diese junge Mutter war selbst noch ein Kind. Vielleicht brauchte sie Hilfe, vielleicht war sie froh, Unterstützung zu bekommen. Vor der Wohnungstür blickte sie sich um. Niemand war zu sehen, kein Laut war zu hören. Was tust du? Geh ins Bett und schlafe, wie es andere Leute um diese Uhrzeit tun. Du bildest dir bestimmt alles ein, sie schmeißt dich wütend aus ihrer Wohnung. Wahrscheinlich will sie niemanden, der sich einmischt, auch wenn es gut gemeint ist. Dein Nervenkostüm ist ein wenig dünn in letzter Zeit.

 

Fast war sie geneigt, ihrer inneren Stimme zu folgen, doch da wimmerte es hinter der Tür. Der letzte Rest Unentschlossenheit löste sich in Luft auf. Sie drückte die Klinke hinunter.Die Wohnung war nicht abgesperrt, die Tür ließ sich ohne Probleme öffnen. 

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