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Doch im Moment zweifelte ich an allem. Was wusste ich schon wirklich? Ich tupfte meine Hände mit einem Papierhandtuch ab und verließ die Toilette. Der klägliche Rest Tee in meiner Tasse war mittlerweile kalt geworden, doch das störte mich nicht. Ich fragte den Kellner nach einer Aspirin. Er nickte. Wenig später brachte er mir eine Tablette. »Danke. Und kann ich dann gleich zahlen? Zwei Tassen Tee und das Aspirin.« Er zwinkerte mir zu. »Drei zwanzig für den Tee, der Rest geht aufs Haus.« Ich gab ihm drei fünfzig. Mehr Trinkgeld konnte ich mir nicht leisten. Ich nahm die Tablette und spülte sie stehend mit dem kalten Tee hinunter. Es musste Mittagszeit sein, denn die meisten Gäste waren gegangen. Mittagessen. Ich dachte an Corinna und daran, dass heute Mittag nicht einmal ich ihr beim Essen Gesellschaft leisten würde. Ein schlechtes Gewissen machte sich in mir breit, doch dann überlegte ich, dass meine Schwester wahrscheinlich ohnehin nicht daheim war. Sonntage zu Hause waren noch trostloser als andere Tage. Corinna hatte eine Menge Freunde, bei denen sie sich einladen konnte. Tat sie auch regelmäßig.

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Ich war nicht gerade begeistert von den Kreisen, in denen sie sich bewegte, aber sie hatte sich schon so lange durchgeschlagen, da kam es auf heute auch nicht mehr an. Corinna würde am Abend da sein – und morgen und auch noch übermorgen. Julia hingegen war verschwunden und ich wusste nicht, wann und ob ich sie wiedersehen würde. Als ich die Tür nach draußen aufstieß, atmete ich auf. Die Luft war nach der Wärme im Lokal angenehm. Mehr als zuvor spürte ich die Hitze meiner Wangen. Es würde noch eine Weile dauern, bis die Tablette wirkte, die mir der Kellner gegeben hatte. Eine große Gestalt kam auf mich zu und sofort erkannte ich sie an ihrem leicht hinkenden Gang. Leon! Was wollte der hier? Ich straffte meine Schultern und wartete. Im Grunde war es egal, ob ich ihn gleich hier, auf der Straße, nach Julia fragte. Die Gelegenheit war da, also würde ich sie nützen. Ich studierte Leons Gesichtsausdruck, als er mich entdeckte: angespannt, unsicher. Aus Sorge oder aus Angst? Angst wovor? »Hi Leon, du hast Julia doch gestern im Grätzel getroffen, stimmt's?« Ich versuchte, meine Stimme neutral klingen zu lassen.
 »Hallo Theresa. Ja, ich war da.  Aber ich bin um

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