Ich gab mir einen Ruck. »Haben Sie es bei Leon Thalmayer schon probiert?« »Leon geht in eure Stufe, oder? Ich rufe gleich einmal bei Thalmayers an. Danke, Theresa. Und wenn du was von Julia hörst, dann...« »... dann melde ich mich sofort, na klar.«
»Danke, Theresa«, sagte Frau Mechat noch einmal und legte auf. Leon. Wer, wenn nicht er, könnte wissen, wo Julia war? Leon war ein komischer Kauz, ein Einzelgänger. Er hatte, soweit ich wusste, keine Freunde. Zumindest in unserem Jahrgang nicht. Zwar wurde er anfangs, nachdem er vor einem Jahr zu uns gekommen war, von den meisten Mitschülern um seine eigene Wohnung beneidet, doch die Begeisterung legte sich schnell, weil Leon keinen von uns einlud und schon zu Beginn des Schuljahres unmissverständlich klargemacht hatte, dass seine Wohnung nicht für Feten zur Verfügung stand. Leon hing nicht mit den anderen Jungs zusammen, baggerte keine Mädchen an. In den Pausen stand er immer alleine rum und betrachtete das Treiben um sich. Und beobachtete Julia. Für Julia war das typisch, dass sie davon nichts mitbekam, schließlich war sie immer damit beschäftigt, beschäftigt zu sein.
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Julia merkte nicht, dass er uns auf Schritt und Tritt verfolgte. Ich schon. Als ich sie einmal darauf ansprach, lachte sie und meinte, ich solle mit der Spinnerei aufhören, er sei doch total harmlos. Und abgesehen davon habe er sie noch nie angesprochen.
»Hey, er geht in unsere Stufe. Klar, dass wir uns am Flur oder am Schulhof ständig über den Weg laufen«, hörte ich immer noch ihre Worte. »Und wie kommt es, dass er immer dann im Grätzel auftaucht, wenn wir dort sind? Oder letztens im Einkaufszent- rum, was wollte er denn da?«, fragte ich. Mir war Leon echt unheimlich. Aber Julia hatte recht. Er sprach weder sie noch mich an, im Grätzel saß er allein an seinem Tisch, nippte an einer Cola und tat so, als würde er lesen. Und natürlich begegnete man sich in einem so kleinen Kaff wie unserem überall.
Schrecklich viele Möglichkeiten der
Freizeitgestaltung gab es hier nicht. Trotzdem. Leon folgte uns, davon war ich überzeugt. Und vielleicht wusste er tatsächlich etwas, was Julias Mutter weiterhelfen könnte. Ich würde so einiges verwetten, dass er am Samstagabend im Grätzel war. Genau wie Julia. Aber konnte es wirklich wahr sein?
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