Selbst Wahrscheinlichkeiten, unbekannte Größen, Variablen konnte man berechnen. Aber das hier war kein simples Matheproblem. Meine beste Freundin war verschwunden. Das Grätzel war ein Café, das fast ausschließlich von Schülern besucht wurde. Es gab da eigentlich nichts Besonderes. Eine Musikbox, einen Billardtisch, der so gut wie immer besetzt war, eine tolerante Besitzerin, die nicht fragte, warum manche Schüler den Vormittag bei ihr anstatt in der Schule verbrachten. Sie hatte sich noch nie darüber aufgeregt, dass die Jugendlichen knutschend den ganzen Nachmittag bei einer einzigen Cola herumsaßen. Für einige war das Grätzel praktisch ihr Zuhause. Sie machten dort sogar ihre Hausausgaben. Das Einzige, was fehlte, war eine WLAN-Verbindung, um im Internet zu surfen. Das Grätzel war trotz des miesen Wetters gut besucht. Überall standen Jugendliche herum, quatschten miteinander und lachten. Mir kam es wie Hohn vor. Wie konnten sie so tun, als sei alles wie immer? Die Wärme, die drinnen herrschte, traf mich wie ein Keulenschlag. Hatte ich mich vorhin noch danach gesehnt, endlich im Trockenen zu sein und vor der Kälte zu fliehen,
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wünschte ich mich jetzt wieder hinaus auf die Straße. Der Rummel und die Hitze hier drinnen war mir zu viel. Draußen war es wenigstens ruhig gewesen. Ich stapfte mir den Schnee von den Schuhen, wickelte mir meinen Schal vom Kopf und schüttelte ihn aus. Kleine Tropfen flogen durch den Raum. Einige Bekannte nickten mir zu. Ich steuerte die Bar an, wo ich einen freien Hocker entdeckt hatte. Mir wäre es lieber gewesen, wenn ich irgendwo weiter hinten einen Tisch ergattert hätte, aber alle waren besetzt.
Du bist eh nicht zum Vergnügen hier, du willst etwas über Julia erfahren!, rief ich mir ins Gedächtnis. Bei dem schlaksigen Kellner bestellte ich einen grünen Tee mit Zitrone und blickte mich im Café um. Ein paar Leute aus meiner Stufe waren auch da. Ich rutschte von meinem Sitz und ging zu ihnen hinüber. »Hi, Theresa. Geht’s dir wieder besser?«, fragte mich die immer allzu neugierige Claudia, als ich vor ihr stand. Claudia ging mit Julia und mir in eine Stufe, und wenn jemand die Bezeichnung Obertussi verdiente, dann sie. Aber jetzt könnte mir ihr Wissensdrang, was die Angelegenheiten anderer Leute anging, vielleicht sogar nützen.
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